Banalitäten im Tötungsdelikt
Es gibt heutzutage, wie auch damals, früher und in naher Zukunft, Konflikte mit immensen Opferzahlen, von denen wir gar nichts wissen.
Natürlich interessieren uns diese Konflikte und ihre Opferzahlen genauso sehr, wie die Zahnprothese unserer 87-jährigen Nachbarin.
Von daher vermissen oder fordern wir ebenfalls nicht die genaue Berichterstattung über diese Konflikte.
Hier seien diese Auseinandersetzungen mit Todesfällen in der Zivilbevölkerung als Konflikt bezeichnet, da der wissenschaftliche Standard mit dem Wort „Krieg“ zu detailliert ist, dass ich keinen Zorn eines sicherheitspolitisch aktiven Menschen auf mich ziehen möchte. Jedoch ist Jeder, der etwas zur Begriffsdefinition beitragen möchte, herzlichst eingeladen, sich auszutauschen.
Falls man mal auf die Webseite der Crisis Group geht, erkennt man, dass die Erde als Planet ein Konfliktpotential aufweist, welches sie hervorragend an einigen Ecken aus sich herauslässt. Diese Ecken dieser Erde sind dort, wo die Pauschaltouristen ungern sind und wenn sich Einige dorthin begeben, dann in die abgeschotteten Hotelanlagen mit Vollzeitbelustigung. Nein, dies ist kein Appell an das Ende der Spaßgesellschaft, denn ohne Spaß wäre wir doch alle nur noch lethargische, deprimierte und suizidgefährdete Spießer im nordeuropäischen Überflussland.
Suizidgefährdet sind wir, wenn wir unter Anderem Privatinsolvenz einleiten müssen und denken, dass wir keine sieben Jahre ohne extreme Ausgaben überleben können. Auch ist es deprimierend, wenn man am Ende des Monats in den kühlen, jedoch kargen Kühlschrank schaut und dort Strom und Licht tadellos funktionieren, wir jedoch von unserem Minimalgehalt noch eins, zwei Mittagessen finanzieren müssen.
Aber deprimierend ist es nicht, wenn wir die Zeitung aufschlagen und wir lesen etwas vom blutigsten Ramadan im Irak. Denn dann wechselt die geistige Gleichgültigkeit plötzlich in Empörung um und wir können über andere, uns fremde Menschen mit fremden Kulturen, die wir weder verstehen, noch uns damit auseinandersetzen wollen, urteilen. Ob nun in Mali, Somalia, Angola, Simbabwe oder auch dem beliebten Ausflugsziel Südafrika, Menschen von Milizen und Regierungstruppen, von Rebellen oder Guerillas abgeschlachtet werden, weil sie Bauern auf einem Feld, Einwohner eines im aktuellen Konfliktfeld lebenden Dorfes oder tatsächlich Kombattanten sind, es ist empörend.
Diese Menschen scheinen für uns irgendwo in einer uns unbekannten Umgebung einen Kampf gegen einen Zustand zu führen, den wir uns nicht vorstellen können. Wir können weder die Umstände, in denen die Menschen leben, nachvollziehen, noch, warum man dafür körperlichen Schaden in Kauf nehmen sollte. Wir denken, diese Menschen haben ein Problem, das sie nicht lösen können, WEIL sie sich bekämpfen. Welches Problem es ist, das wissen wir nicht, weil wir es nicht wissen können. Und deswegen können wir uns darüber empören.
Für wen sollen wir den Partei ergreifen? Für die einen oder die anderen? Meistens sind ja die einen die Bösen, denn gegen sie schaltet sich unsere Weltpolizei meistens ein. Aber sind die anderen denn dann die Guten? Oder sind nur wir die Guten?
Sobald wir darüber nachdenken, wer warum welche Dinge tut und warum wer jetzt wie abgesetzt werden muss und warum die dann was auch immer dagegen tun und das auch noch so, wie sie es tun, denken wir nur noch darüber nach, warum denn verdammt noch mal dieser Konflikt nicht durch unsere Intervention oder unsere bloße Aufmerksamkeit beigelegt wird. Und gerade weil der Konflikt durch unsere geteilte Aufmerksamkeit nicht im Frieden endet, nervt es uns tierisch an, dass diese Menschen da irgendwo nicht so toll leben können, wie wir. Und dann wollen wir nichts mehr von diesem Konflikt hören. Es ist ähnlich wie mit der hübschen, jungen Nachbarin, die einem immer wieder erzählt, dass sie mit dem Einen nun zusammen ist, den Anderen aber besser findet, deswegen mit dem Einen bald Schluss macht, damit sie es doch noch mal mit dem Anderen versuchen kann und hofft, dass der Ex nicht auch noch dazwischen funkt. Es nervt! Man will es gar nicht hören. Behalt´s für dich. Hab ich dann meine Ruhe? Ja, verdammt! Also macht doch, was ihr wollt, man hat sich ja mal damit auseinandergesetzt und es hat nichts genützt!
Es ist völlig in Ordnung, so zu denken. Es ist auch völlig in Ordnung so zu handeln. Man sollte nicht mit Weltschmerz behangen durch sein sorgloses Leben laufen. Nein, das Leben ist zum Leben da und nicht zum Trauern. Wenn man jetzt nicht lacht, wann denn dann?
Aber an die zivilen Opfer, die Kinder, die Frauen, die Jungs und Männer, die ohne ihr eigenes Zutun in einen blutigen, unverhältnismäßigen, brutalen Konflikt hineingezogen werden und täglich Liebste verlieren, an die sollte man denken. Denn es werden nur dann Waffen eingesetzt, wenn die Absicht besteht, jemanden damit zu töten. Und die Waffen töten. Und nicht nur, wie in der Berichterstattung vermerkt, potentielle oder vermeidliche Kombattanten. Es sterben Söhne, Töchter, Mütter und Väter.
Bleibt fröhlich, lacht viel und denkt an die, die auf der anderen Seite der Erde trotz der politischen Umstände immer noch ein Lächeln parat haben.
Macht es besser und bleibt gut.
krisenkind am 11. August 13
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