Vakuum wegen Überfüllung geschlossen
Nach langer Abwesenheit melde ich mich mit einem Kommentar zu Afghanistans Vergangenheit, Zukunft, Gegenwart und Konflikt zurück. Nicht, weil es aktuell eine letzte Verlängerung der Präsenz der Bundeswehrsoldaten in diesem schönen Land gibt, sondern weil dieses Land und die Menschen dort verdienen, dass man sie nicht als Terroristen oder friedensunfähige Menschen bezeichnet. Denn wir können uns nicht vorstellen, wie es ist, wenn man um das kleinere Übel kämpfen muss,was nicht bedeutet, dass dieses kleinere Übel kein übles Übel ist. Gibt es ein treffenderes Wort als „katastrophal“, das die Grausamkeit, die Unvorstellbarkeit und das völlig sinnlose und von verzerrten Ideologien getriebene Morden beschreibt? Mir fällt gerade kein Wort ein, dass das alles erfasst. Zum Glück! Denn wenn es dafür schon ein Wort gäbe, wäre auch dies schon wieder kommerziell und man hätte es während des Sonntagsfrühstücks schon ausgesprochen ohne die inhaltliche Bedeutung zu überdenken. Ja, natürlich nennt man das willkürliche Morden an Zivilisten Völkermord oder Kriegsverbrechen, auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit wird das eine oder andere mal ein Massaker genannt, jedoch nur dann, wenn es der Internationalen Gemeinschaft gerade so in die politische Position passt. Katastrophal ist jedes dieser Völkerrechtsverbrechen.
Nun befinden wir uns in einer Gesellschaft, die sich gegen Alexander dem Großen, Dschingis Khan und allen Kriegsfürsten, Predigern, Heeren aus dem persischen Reich, dem turkstämmigen Nomadenreich und sich gegen Mächte wie das Russische Reich und Britisch-Indien verteidigen musste. Immer wieder wurde der Staat, der mitten zwischen Zentralasien und Südasien liegt, durchquert, verwüstet, geplündert, bedroht, eingenommen, verteidigt, bekämpft. Der Islam kam im Jahr 654 nach Afghanistan und lehrte Toleranz und Gleichheit, so dass Religionen, Ethnien und Kultur in Herat und Kandahar friedlich nebeneinander und miteinander leben und sich entwickeln konnten. Herat galt lange Zeit als die Weltstadt für Kultur und Kunst. Und dieser Reichtum an Vielfalt wurde regelmäßig zerstört. Entstand ein Machtvakuum, kämpften die Stämme und Clans gegeneinander um die Macht über Kabul, Kandahar und Herat zu erlangen und sich damit eine gesicherte Führungsposition zu sichern.
Doch wie heftig sich auch die unterschiedlichen Gruppierungen bekämpften, sie schlossen sich zusammen, sobald ein Feind von außen Afghanistan bedrohte. Das spürten die Briten im 18. Jahrhundert und die Russen in den 10 Jahren ihrer Besetzung. Der Kampf gegen die Russen in Afghanistan mit den Mitteln der USA und anderen Staaten führte zur Hoffnung, dass die Mudschaheddin eine relative Sicherheit und Frieden in Afghanistan etablieren könnten. Doch nach dem Abzug der Russen entstand wieder ein Machtvakuum. Dieses wurde mit Kämpfen, mit gegenseitigem Abschlachten und willkürlichem, brutalem Durchgreifen in der Zivilbevölkerung gefüllt. Wer wollte, konnte sich einer Fehde anschließen und gegen den einen oder anderen um die Machtgewinnung kämpfen. Das Land der Vielfalt und das sich gerade erst die Freiheit von Besetzern erkämpft hatte, rutschte in ein Chaos und zerstörte sich durch einen Bürgerkrieg selbst.
In diesem Krieg und der Zerstörung von Werten und Idealen versuchte eine Gruppe von Islamlehrenden die religiösen Werte wieder in die Bevölkerung zu bringen und nannten sich Taliban. Die Struktur und die Ideologie der Taliban verändert sich jedoch rapide mit der Anzahl der Siege über die Milizen und Gruppierungen, die Handelswege willkürlich mit Abgaben belegten, Dörfer plünderten und die Bevölkerung terrorisierten. So herrschte eine Art Lethargie und Erschöpfung in der Bevölkerung vor, die in den von Entwicklungsorganisationen für Fußballspiele erbauten Stadien Hinrichtungen und Bestrafungen anschauen mussten.
Nun wissen wir, was seit 2001 in Afghanistan passierte und dass 2014 Soldaten und Sicherheitskräfte aus dem Land der Unterschiede langsam abziehen. Die Vergangenheit zeigt, dass Machtvakuum in Afghanistan bisher keinen Frieden gesichert hat und dass Regierende in Kabul bisher nicht die ersehnte Stimme der Hoffnung für einen starken Staat mit gesicherten Strukturen für Frieden und Schutz für die zivile Bevölkerung darstellten. Ebenfalls sind die finanziellen Anreize für Viele sehr hoch die Seiten zu wechseln. Zudem wird nicht von denen umgebracht, die man als Staatsbediensteter bekämpfen soll und insgesamt scheinen das gute Anreize gegen eine Position als staatliche Sicherheitskraft zu sein.
Ich wünsche den traumatisierten Kindern, den starken Frauen und den mutigen Männern, die in Frieden und Freiheit leben möchten, die allgemeine Schulbildung schätzen und ohne Gewalt und Zwang ihren Glauben leben möchten, die Kultur, egal ob westlich, asiatisch, arabisch oder auch ihre afghanische Kultur ohne Einschränkungen entdecken und erleben wollen, dass sich ihre Nachbarn und Brüder für Gemeinsamkeit und Toleranz entscheiden und so dass das mächtige Potential der Afghanen in Sicherheit und mit dem Lächeln und dem Vertrauen der Kindern wieder aufleben lassen.
Hoffen wir auf das Beste!