Lautloses Schreien
Herzlich willkommen zurück im Alltag.
Der Alltag hat mich so aufgefressen, mürbe gemacht, sooo dermaßen gelangweilt, dass ich nicht wußte, wie ich diese Trivialität und die Verschwendung von Lebenszeit in Worte fassen sollte. Deswegen habe ich lange nichts mehr von mir lesen lassen. Manche Menschen würden sich über etwas mehr Langeweile in ihrem Leben und mehr Lebenszeit freuen. Bei diesen Menschen möchte ich mich entschuldigen. Ich weiß, wie kostbar die Zeit ist, die wir hier mit unseren Lieben glücklich verbringen können, wenn wir es nur wollen. Doch manchmal lässt uns der Alltagsstress, die nicht erfüllten Erwartungen an die Umwelt, die Ohnmacht sich selbst gegenüber und das süße Leben keinen Funken zum Atmen mehr.
So oder so. Ich war auf Wacken. Natürlich! Ich erzähle davon jedoch in einem anderen Thema. Wacken braucht immer ein eigenes Thema!
Mein lautloses Schreien begann schon vor einigen Jahren. Doch ich war lieb und nett, ich dachte, die anderen meinen es sicher nicht so. Doch seit weniger als 6 Monaten arbeite ich in einer Institution, welche Demokratie als "bottom up"-Prozess versteht, jedoch nicht ausführt. Meine Antipathie steigt von Tag zu Tag gegenüber diesem repressiven System. Und ich arbeite für dieses. Ich arbeite sogar nicht schlecht. Ich arbeite systemkonform. Das besorgt mich jedoch weniger als die Tatsache, dass ich die Einzige in dem Schuppen bin, die dieses immer wieder anspricht. In einem demokratischen Vorzeigestaat kann ein solches System ohne weiteres problemlos expandieren. Das ist doch wahnsinn! Also worüber rege ich mich auf? Darüber, dass ich nicht wußte, worauf ich mich einlasse, als ich dort zu arbeiten begann? Dass ich nicht sofort kündigte, als ich merkte, wo ich mich befinde? Dass ich zu weit unten in der Hierarchie sitze und nichts tun kann oder mich zu wenig traue? Oder über unser System? Warum schreibe ich hier in ein öffentliches Forum mein Bedenken über ein System, das ich bewußt fördere, indem ich aktiv meinen Job ausführe? Mein Job ist nicht schlecht. Nicht falsch verstehen. Und da kommen wir wieder zum nächsten Problem. Arbeitslos zu sein in Deutschland ist ein Stigma, gefördert von der Gesellschaft. Also wohin mit der Wut im Bauch? Engagement muss politisch korrekt sein, denn nur dann wird es als seriös angesehen. Ist die Politik denn politisch korrekt und ist mein Engagement dann vielleicht nur ein netter Weichspüler?
Ihr kennt solche Gedanken sicherlich auch. Also lieber Arbeitstier als arbeitslos? Witzigerweise, und das ist doch kein Zufall, höre ich jeden Morgen um halb 6 Uhr morgens im Radio "Bück dich hoch". Ich komme mir vor wie in der Truman Show.
Und morgen beginnt wieder ein Tag im Paradies.
Ich ende anders, denn es geht ja weiter. Sowieso.