Wenn der Terror alltagstauglich wird
Hallo aus dem sonnigen und heißen Norden.
Es ist wunderbarer Sommer, die Strände sind voller Süddeutscher und die Zeitungen sind voller inflationärem Terror.
Ihr wißt wahrscheinlich auch nicht mehr, wann die Nachrichten begannen, in denen Menschen in unserer europäischen Umgebung Anschlägen zum Opfer fielen. Ich persönlich bekomme keine spontane Chronologie auf die Reihe, denn dafür fehlt mir langsam der Überblick. Beinahe jeden Tag lese ich das Wort Terror. Jedesmal wenn meine Tagesschau-App den bekannten "GONG" schlägt, weil es eine Eilmeldung gibt, steht in der ersten Zeile das Wort TERROR. Es hat sich zu einem inflationären Phänomen entwickelt, alles, was passiert, Terror zu nennen.
Ich möchte damit die Grausamkeiten und schon gar nicht die verstorbenen Menschen ignorieren, genau das Gegenteil ist der Fall. Mir erscheint es, als ob es nur noch darum geht, geil auf den Terror zu sein. Menschen sterben bei Anschlägen, bei Messerstechereien und im Krieg. Das sind echte Menschen, Brüder, Schwestern, Töchter, Mütter, Söhne, Geschwister von wieder anderen Menschen. Und diese Menschen wissen nur eins: Ein wichtiger Mensch in ihrem Leben ist ihnen entrissen worden.
Schon stürmen die Reporter zum Tatort, die Politiker aus aller Welt bekunden ihr Beileid um im nächsten Satz zu betonen, dass sie mit aller Gewalt gegen den Terror vorgehen werden.

Hmm...ok, das hatten wir ja schon Anfang des neuen Jahrtausends, dass mit Krieg gegen Terror geantwortet wurde. Nennen wir es Terror, weil das so herrlich abstrakt ist. Die Menschen, die in diesen Kriegen sterben, die durch Anschläge sterben, die haben sich sicherlich nicht gefreut, dass die politische Führung wieder und wieder mit Krieg dem Terror droht. Ist das seit über einem Jahrzehnt wirklich unsere Lösung? Auge um Auge? Menschen sterben durch unsere Kriegsführung oder Unfähigkeit und da irgendwo im gaaanz fernen Osten drohen die Hinterbliebenen mit Krieg, den sie durch Anschläge in das reiche und wohl behütete Europa bringen und die Konsequenz ist, dass wir wieder mit Krieg drohen? Krieg gegen wen? Gegen Staatsmänner nicht. Das sind ja unsere Verhandlungspartner. Gegen terroristische Gruppierungen, die nicht im staatlichen Auftrag handeln, aber auch nicht wirklich an ihrem Handeln gehindert werden und irgendwie durch andere mehr oder weniger staatliche Akteure gesponsort werden. Also gegen wen führen wir dann Krieg?

In die letzten Anschläge oder wie es die Presse sagt, Terroranschläge, waren Menschen eingebunden, welche in unserem sicheren, demokratischen und wohlstandsverwöhnten Europa geboren worden sind. Und in den Nachrichten sagen sie nur, dass es sich um einen jungen Mann mit beispielsweise britischer Staatsangehörigkeit handelt, deren Eltern aber aus Tunesien irgendwann mal eingewandert seien. Also gibt es jetzt eine Spaltung der Bevölkerung in Personen mit der europäischen Staatsangehörigkeit ohne Migrationshintergrund in den letzten zwei Generationen, in Personen mit Staatsangehörigkeit mit Migrationshintergrund der Eltern oder vielleicht auch der Großeltern oder der besten Freunde oder der Schwiegereltern oder des Lieblingsbäckers und in Personen, die ja keine Staatsangehörigkeit aus europäischen Ländern besitzen. Und grundsätzlich sind die beiden letzten Gruppen immer verdächtig.
Was mich dabei stutzig macht, ist, dass wahrscheinlich auch Menschen mit Migrationshintergrund, ohne Migrationshintergrund, Weltenbummler und konservative Menschen bei den Anschlägen ihr Leben verloren. Es handelt sich nicht um eine homogene Gruppe von Opfern. Es handelt sich bei den Opfern um die selben Leute, die diese Anschläge durchführen. Der Unterschied ist nur, dass die Menschen, die keine Anschläge durchführen, die nicht mit nationalistischen Parolen durch die Straßen rennen und das System mit Gewalt und Opfern schwächen wollen, offensichtlich durch die Schule, durch die Eltern und ihr soziales Umfeld demokratische Werte kennen, schätzen und wissen, warum sie sich glücklich schätzen können auf diesen Werten ihr Leben aufbauen.

Wenn eine Person in einer Demokratie aufwächst, sich im Laufe ihres Lebens entscheidet, mit Gewalt und Opferbereitschaft die Gesellschaft zu zerstören und niemand im Umfeld bemerkt dies oder schlimmer noch, die Person wird sozial fallen gelassen, dann ist das ein gesellschaftliches Problem. Wenn in den armen Bezirken von Paris Menschen dank des Ausnahmezustands von der Polizei schikaniert werden, dann ist das Terror. Huch, denken nun Einige. Terror? Nein, Terror ist doch wenn irgendjemand eine Bombe oder so zündet. Nein. Terror ist im ursprünglichen Sinne die wahrlose Gewalt des Staates gegen die eigene Bevölkerung. Das beinhaltet tatsächlich das Wort Terror. Der Witz an der Sache ist, dass der Staat seiner Bevölkerung trauen sollte. Gibt es problematische Viertel in unseren Städten? Ja. Wird da vermehrt in Sozialarbeit investiert? Nein. Wie groß ist der Anteil der Demokratielehre und der Teilhabe an demokratischen Veranstaltungen und ideeller Förderung von Seiten der Schulen und Bildungseinrichtungen? Soweit ich mich erinnere und aus den aktuellen Lehrplänen lese, ist dieser Anteil eher nicht so groß. Ist halt freiwillig und nett, wer´s in seiner Freizeit macht.

Aber anstatt seine Bürger, reich oder arm, mit oder ohne Migrationshintergrund, in Demokratielehre zu schulen, zum Mitmachen zu ermutigen, schauen wir über die Opfer im In- und im Ausland und schwören dem abstrakten Terror Rache. Ich wünschte mir, man würde mehr miteinander reden und das mit weniger Gewaltinhalten. Denn wir machen den Terror alltagstauglich, indem wir uns von der inneren Stärke und dem demokratischen Gemeinwohl, der guten Bildung für Jeden abkehren und der Gewalt als stetiges Mittel der Verteidigung unsere Werte bedienen. Meine Werte sind das nicht.

Schaut euch um, ob ihr helfen könnt. Bleibt glücklich und aufmerksam. Tragt die demokratischen Werte weiter.